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Bei starkem, auflandigem Wind entstehen oft kraftvolle Wellen. Diese folgen in sehr kurzen Abständen hintereinander und entladen ihre eine enorme Kraft mit Weisswasser, welches unerbittlich zum Ufer dringt. So wird es für manchen Surfer mit langem Surfboard enorm schwer, hinter den Punkt zu gelangen, an dem die Wellen brechen. Immer und immer wieder paddelt er auf die nächste Welle zu, stemmt sich hoch und läßt sich von der Welle ein Stück zurücktragen, möglichst ohne vom Brett gespült zu werden. Kaum liegt er wieder stabil auf seinem Brett und hat 2-3 Paddelzüge gemacht, kommt schon die nächste Welle angerollt und trägt ihn erneut um einige Meter zurück Richtung Strand…

Genau dieses Gefühl haben Manu und ich während der vergangenen zwei Wochen immer und immer wieder. Kaum ist ein (erneut auftretendes) Hindernis überwunden, rollt schon das nächste heran. Wir kommen einfach unserem nächsten Etappenziel, dem lange ersehnten Start unserer Reise nicht oder nur unendlich langsam näher. Dabei hat der April echt gut angefangen:

Ich habe die ersten Tage ohne Job sehr genossen und mich auf die Abarbeitung der immer noch langen ToDo-Liste konzentriert. Auch die Renovierung unseres Wohnmobils machte Fortschritte und um die Ostertage konnten wir die letzten notwendigen Vorbereitungen für die TÜV-Prüfung am 07.04. abschließen.

Genau an diesem Tag ging’s dann allerdings los: Auf meine Frage „Ist es schlimm?“ folgte die schockierende Antwort des Werkstattbetreibers: „Es ist schlimmer. Kommen Sie bitte so schnell wie möglich vorbei!“

Die Ursache dieser Aussage: TÜV war bestanden, aber das Wohnmobil beim Einfahren in die Werkstatt auf der kompletten Fahrerseite durch Anfahren eines anderen parkenden LKW enorm beschädigt. Seither warten wir auf die Verfügbarkeit eines Versicherungs-Gutachters, bevor mit Reparatur und Renovierung weitergemacht werden kann. Also umplanen, zuerst andere organisatorische Arbeiten und Renovierungstätigkeiten unserer Wohnung erledigen und hoffen, dass der Gutachter jetzt dann endlich Zeit hat… Und nicht zuletzt optimistisch bleiben, denn wir haben ja noch 5-6 Wochen Zeit bis zur Abreise.

… und schon wieder ist es die Fahrerseite

Diese Woche dann die nächste „Welle“: Die Schmerzen in der Stirnhöhle, welche mich seit letzter Woche plagen, erfordern nach mehreren Arztbesuchen nun tatsächlich eine Operation der Nasennebenhöhlen- und Stirnhöhlen (und das nur ein Jahr, nachdem diese Operation bereits schon einmal bei mir durchgeführt wurde). Ich kann es einfach nicht fassen! So habe ich mir die letzten Wochen vor unserer großen Reise nicht vorgestellt. Das Umplanen wird immer schwieriger, da unsere Wohnung ab Juni zwischenvermietet ist und nun wirklich die Zeit knapp wird…

Ich sitze also im Wartezimmer der HNO-Klinik, schreibe diese Zeilen und suche nach neuem Optimismus, einem Optimismus 2.0 sozusagen. Bitte meldet Euch, falls ihr wisst, wo ich den finden kann…

Nun ist sie da, die Zeit der kleinen Abschiede. Unser Abreisetermin ist festgelegt, soweit man ihn unter Pandemie-Bedingungen festlegen kann und schwupp, schon sind sie da: Diese kleinen Momente, in denen ich denke: Das mache ich gerade zum letzten Mal… zum Beispiel den letzten Zahnarztbesuch (hoffentlich(!) obwohl ich meine Zahnärztin tatsächlich ganz wunderbar finde), meine letzte Yogastunde im Yogahaus mit Bahar’s und meinem Mittwochskurs ist schon vorbei & ein weiterer Yogakurs und damit noch ein kleiner Abschied von all den wundervollen Menschen, die ich im Yoga begleiten durfte, folgt im April. Nein ich will mich gar nicht beklagen darüber, es ist einfach der nächste Schritt  vor unserem Umzug in unser „Home on wheels“. Das weiß der logisch denkende Teil meines Gehirns und doch ist mein Bauchherz auch wehmütig. Das bekannte lachende und weinende Auge… 

Für unsere Kinder ist es nochmal eine ganz andere Herausforderung, diese Abschiede auf sich zukommen zu lassen. Es ist uns sehr wichtig, dass wir gemeinsam diese Reise machen und wir auf Augenhöhe Entscheidungen treffen. Wir haben in unserem Familienrat auch immer wieder besprochen, dass unsere beiden die Reiseroute mitbestimmen dürfen, dass wir gemeinsam Ziele aussuchen werden und es auch Kinder-Tage gibt, an denen wir Eltern einfach mitmachen und unsere Kinder den Tag planen dürfen (wobei ich mir noch überlegen muss, in welchem Moment ich einen „Ich setze aus – Joker“ ziehen darf, da ich mich ungern an ein Bungee Seil gebunden, mit Blick in eine tiefe und sicher atemberaubende Schlucht, wiederfinden möchte). Und doch sind wir doch auch wie Jesper Juul es bezeichnet die „Leitwölfe“… Schließlich sind es Adrian und ich gewesen, die die Umsetzung unseres Traumes ins Rollen gebracht haben… und unsere Kinder sind mit an Bord… Der Unterschied wird deutlich: Wir kennen das Reisen und wir kennen Langzeitaufenthalte in fremden Ländern… unsere Kinder kennen: Urlaub. Mal 2 Wochen, mal 3 Wochen… mal am Atlantik (ja, geliebtes Pin Sec), mal in den Bergen, mal beim Freundebesuch in verschiedenen Städten… und natürlich Tagesausflüge, Wanderungen, Radtouren, Übernachtungen im Wald…

 Es ist deutlich schwieriger für sie und umso achtsamer, geduldiger und verständnisvoller müssen und wollen wir sein… Wann ziehen die Meerschweinchen nun wirklich zu ihrer Pflegefamilie? Wie oft kann ich mich noch mit meinen Freunden verabreden? Wo sind meine Freunde, wenn ich wiederkomme? Viele Fragen, Unsicherheiten und Ängste tauchen jetzt auf, mitten hinein in diese heiße Phase der Vorbereitung. Das Aussortieren der eigenen Dinge (das jetzt „downsizen“ heißt) in: „Das brauche ich gar nicht mehr“, „das möchte ich einlagern“ und „das muss mit ins Wohnmobil“ ist für uns schon schwierig, zugleich befreiend und mit kleinen Zeitreisen verbunden. Für unsere beiden Kinder ist es gerade ganz weit weg…  Hinzu kommen die ersten Interessenten, die die Wohnung mieten möchten, und in unser bisheriges Zuhause kommen, der anstehende TÜV Termin für unseren KAZYmir und die damit verbundene immer noch große To-Do Liste für Adrian, die möglichst schnell abgearbeitet werden sollte… all das umgibt jetzt natürlich auch unsere Kinder… Hinzu kommt, dass Corona-bedingt der Ausblick auf die Begegnung mit Orang Utans im Dschungel Borneos leider nicht mehr auf unserer Reiseroute steht… Wir werden fahren, nicht fliegen und neue Highlights ansteuern, die wir selber erst entdecken können, wenn wir wissen, wohin wir überhaupt reisen dürfen. Wir, die Reiseerfahrenen,  sehen das mit einer gewissen Gelassenheit und schätzen sogar die Chance das Unerwartete willkommen zu heißen, weil unsere Alltagsleben ja genau das Gegenteil beinhalten… Aber unsere Kinder? Die möchten gerne wissen, wohin wir fahren, was es dort zu entdecken gibt, was man dort essen kann, und vieles mehr.. Und ich kann sie sehr gut verstehen. Und darum muss ich mich immer wieder daran erinnern, dass diese Vorbereitungszeit noch mehr Aufgaben beinhaltet als aktuell auf unserer To Do Liste stehen, es ist eben MEHR als das Beantragen internationaler Führerscheine, Kündigen von Verträgen. Es sind vier verschiedene Köpfe & Herzen, die wir mitnehmen wollen… und jeder unserer 4 ist anders, mit anderen Bedürfnissen, Ängsten, und Wünschen…  

Es ist eine spannende Zeit, die sich anfühlt wie ein Kopfstand. Die Reise beginnt tatsächlich lange vor der Reise und dieser Schritt des Weges bedarf viel mehr Achtsamkeit, Empathie und gegenseitiges Vertrauen, als unsere bisherigen Check-Listen aufgezeigt hatten… jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, und ich wünsche mir, dass alle 4 diesen Zauber mehr und mehr spüren können.

Wohin werden wir reisen können? Wird es uns überhaupt möglich sein aufzubrechen, und wann? Wie wird sich die Corona-Situation weiter entwickeln? Wird unser Wohnmobil rechtzeitig fertig? Finden wir Zwischenmieter für unsere Wohnung? All diese Fragen stellen wir uns täglich, immer und immer wieder.

Zeit für einen Lagebericht…

Das neue Jahr startet für uns genauso wie das alte aufhörte: Der Lockdown hat uns fest im Griff, tägliche Videokonferenzen bestimmen den Tagesablauf unserer Kinder, wir entrümpeln immer noch, die Fertigstellung unseres Wohnmobils ist noch lange nicht in Sicht und wir haben keine Ahnung, wie unsere Reise überhaupt aussehen kann. Unsere Unsicherheit und Zweifel waren noch nie größer als jetzt!

Und doch ist auch Fortschritt erkennbar:

Mein Job ist gekündigt, Mitarbeiter und Kollegen sind informiert und das Arbeitsamt weiß auch Bescheid. Manu ist schon im Sabbatical und hat dadurch mehr Zeit für den Corona Homeschooling Alltag und die Bedürfnisse unserer Kinder, denen diese außergewöhnliche Corona-Zeit auch schwer fällt (auch wenn sie etwas länger schlafen dürfen, weil der Schulweg wegfällt). 

Wir setzen mehr und mehr Häkchen auf unserer Vorbereitungsliste: Wir haben Verträge gekündigt (unglaublich, wie viele Abos sich im Laufe der Zeit ansammeln), neue Reisepässe erhalten, die Ebook Reader eingerichtet, unser Technik Equipment trudelt nach und nach ein, die Reiseapotheke wächst, wird reduziert und wieder erweitert, die letzten Arzt-Check-ups werden vereinbart und unsere Meerschweinchen haben eine liebevolle Pflegefamilie gefunden, zu der sie im Frühling umziehen. 

Manu sammelt zudem mit diversen Fortbildungen noch neues Yoga-Know-How (und erweitert damit unser mentales Equipment), wir haben großartige Wanderrucksäcke entdeckt, um mehrtägige Touren machen zu können und diese auf unsere Deuter-Wunschliste geschrieben. Außerdem haben wir tolle gebrauchte Bikes erstanden, die immer dann zum Einsatz kommen werden, wenn unser 4,9t Wohnmobil stehen bleibt. 

Die Aufzählung aller Aspekte würde jetzt den Rahmen sprengen und doch gibt es einen, der Manu und mich besonders berührt: Basti und Tara planen immer mehr mit, sie stellen viele Fragen, helfen bei der Suche nach Zwischenmietern und sie überlegen sich häufiger: Welche Dinge (Bücher, Fotos von Freunden, Tagebücher, Lieblingsmusik, Lieblingsstifte, Lieblingsspiele, Lieblingslern-Sachen (räusper) sind mir wirklich wichtig, so dass ich sie unbedingt ins Wohnmobil mitnehmen möchte?

Wir freuen uns auf unsere große Reise und sind davon überzeugt, dass wir, trotz pandemiebedingter Umstände, viel entdecken werden, eine unvergessliche Zeit miteinander verleben, unglaubliche Erfahrungen machen und bereichernde Begegnungen mit vielen interessanten Menschen haben werden.

Sind wir deshalb unvorsichtig und naiv oder optimistisch und mutig?

Mutig zu sein, bedeutet für uns nicht, dass wir keine Angst, keine Unsicherheit empfinden. Mutig zu sein bedeutet für uns, dass unser Wille, diese Reise zu unternehmen stärker ist als die Angst. Und wir sind uns sehr sicher: 

Unsere Reise wird – bei aller Vorsicht – im Mai starten. Und Euch nehmen wir mit!