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Einatmen. Ausatmen. Im Rhythmus und zugleich im Wechsel. Tief und klar. Ganz bewusst. Den Geruch des Waldes durch alle Poren unserer Haut und unseres Körpers aufnehmen. Stille? Fast. Den Weg von der Dauerbaustelle KAZYmir  in den Farbentanzes des Pfälzer Waldes legen wir in wenigen Minuten zurück. Warum uns das hilft?

Wie Adrian bereits in seinem letzten Blog geschrieben hat, bringt uns unser ungeplantes Großbaustellenprojekt tatsächlich an unsere Grenzen – menschlich, körperlich, mental, planerisch, familiär.
KAZYmir ist die ungeplante neue Hauptperson in unserem Leben, um die sich alles dreht und die vor allem jede freie Minute absorbiert. Das zermürbt. Das kostet Kraft. Ich mache mir Sorgen um Adrian.

Also muss man irgendwann man auch mal eine Pause einlegen und einen „Nicht-Termin“ planen: Wandern im Pfälzer Wald. Das geht sogar direkt von KAZYmir aus, denn Rodalben, die aktuelle Homebase unseres Wohnmobils liegt an einem wunderschönen Felsenwanderweg.

Habt ihr schon mal im Wald geschlafen? Ende Oktober? Ich hatte bis vor kurzem weder das eine, noch das andere erlebt. Doch offizielle „Wildcampingplätze“, die als Trekkingplätze über den Pfälzer Wald verteilt sind, machen´s möglich! Nach Anmeldung und Zahlung einer kleinen Gebühr, erhält man die genauen Koordinaten. In Verbindung mit einer längeren oder kürzeren Wanderung kann man zu Fuß so am Abend einen Platz auf einer Lichtung ansteuern und findet dort eine Komposttoilette, Desinfektionsspender und eine Lagerfeuerstelle. Alles, was man darüber hinaus braucht, bringt man einfach selbst mit (und wieder zurück).
Klingt gut? Wir finden schon. Also beschlossen wir, für einen Tag und eine Nacht die Baustelle links liegen zu lassen und stattdessen zu Viert ein Mikroabenteuer zu erleben.

Von Annweiler ins Eußerthal – der Start mit Maroneneis bei Sonnenschein sorgte für große Laufbereitschaft bei Mr.B und Ms. T. Eine über 10km lange Wanderung mit kleinen „Abkürzungen“, das Sammeln leckerer Esskastanien (Maronen)  und diverse Abenteuer, so wie eine Zeitansage, die sich für unsere Kinder  gefühlte ewig andauernde „noch zwanzig Minuten, dann sind wir da“  enden glücklich und müde auf dem Wanderparkplatz Eußerthal. Doch nun satteln wir das Gepäck, wechseln vom Daypack um, in unser volles Trekkingrucksack Equipment, dass ich so zuletzt in Nepal anhatte… So können wir uns und unsere Vorräte an Wasser, Essen, Campingkocher, Schlafsäcken und  Zelt unkompliziert zum Schlafplatz bringen.  Nach 200 Höhenmetern Aufstieg  über verschlungene Waldwege erreichen wir eine Art Hochplateau im Wald. Der Ausblick ist atemberaubend.  

Auf diesem Zwischenstopp angekommen,  bin ich durchaus atemlos, denn ein Bergauf-Sprint-mit-vollem-Gepäck ist ein Workout, den ich in meinem Yogalehrer-Alltag so nicht direkt in meinem Körper abgespeichert habe. Der Begriff „ganz bewusst  ein- und ausatmen“ und die Gedanken an sich vorbeiziehen zu lassen, bekommt bei diesem Aufstieg für mich ganz neue Bedeutungen…

Was hat das nun mit unserem Reiseblog zu tun?

Eine Wanderung in den Wald ist auch eine Reise! Eine faszinierende Reise in die Ruhe und Kraft des Waldes, (in die eigenen körperlichen Voraussetzungen), in die eigen Ideen von „Welt“, das Zurückziehen der eigenen Antennen, um den Fokus immer mehr auf die Natur zu bündeln, statt auf To-Do Listen auf und abzuwandern. Um die Geräusche des knackenden Feuers, des raschelnden Waldes, der Geruch nassen Laubs einzuatmen,  machen wir diese kleine Reise, dieses Mikroabeneteuer  zu  Viert. Gemeinsam. Und es fühlt sich wirklich gut an.

Wild-Trekkingplätze sind wunderschön gelegen und  der Wald ist die absolut beste Medizin für angeschlagene Nervensysteme… Der Herbstwald in all seiner Farbenvielfalt, das Rauschen des Windes, das Flackern des Lagerfeuers, das Knacken, ausgelöst durch verschiedenste Tiere im nahegelegenen Gebüsch, die Wärme, die entsteht, wenn sich jemand an dich lehnt, um gemeinsam in das Feuer zu schauen, während die veganen und die „normalen“ Würstchen mit zunehmenden Regen und Sturm ein Wettrennen starten, der Rückzug ins schützende Zelt, viermaliges Surren der Reißverschlüsse, Schlafsackgeraschel, gemeinsam erzählte Highlights des Tages, das Suchen nach einer bequemen Liegeposition auf Isomatte und  Waldboden, die Gelassenheit unserer Kids, die in vollem Urvertrauen, dass wir sie beschützen, in Sekundenschnelle einschlafen, das eigene Staunen über die innere Aufregung und Bewusstheit hier zu übernachten.

All das ist wie die vielen Teile, die mehr sind als das Ganze. Viel mehr.