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Felsklettern

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Mein Atem geht immer schneller. Meine Finger klammern sich an den warmen Fels. Ich vertraue den kleinen Felsvorsprüngen, auf denen sich meine Fußspitzen befinden, absolut nicht. Mein ganzer Körper fängt an, sich zu verkrampfen. Ich befinde mich in ca. 20 Metern Höhe an einer roten Felswand oberhalb von Leonidio und weiß nicht, wie lange ich mich noch halten kann… Dann erinnere ich mich an eine der wichtigsten Lektionen beim Klettern: Lass die Füße die Arbeit machen, schau nach Tritten, die etwas höher sind als die bisherigen. Dort ist einer, ca. 20 Zentimeter über meinem linken Fuß. Und genau diese 20 Zentimeter machen den Unterschied. Ich bin plötzlich in Reichweite eines guten Griffs mit meiner Rechten. Geschafft. Kurz durchatmen, dann geht´s weiter die Felswand rauf… Genau diese Augenblicke machen es für uns aus, das Klettern, das Überwinden der eigenen Höhenangst, das Austesten der eigenen Grenzen. Aber auch die Zeit als Familie gemeinsam in der Natur.

Rückblick:
Nach fast 3 Wochen „Weihnachtspause“, die wir mit festem Dach über dem Kopf in Tyros an der Peleponnes-Ostküste verbringen, sind wir froh, als es wieder mit Wohnmobil losgeht. Wir haben diese Zeit in einem gemütlichen Ferienhaus in den Bergen mit Blick auf das Meer sehr genossen. Es war schön, die kleinen Annehmlichkeiten des Alltags genießen zu können, das Wäschewaschen mit einer Waschmaschine und das Nutzen einer Spülmaschine zum Beispiel. Auch haben wir die Zeit dazu genutzt, einige Reparaturen und Verbesserungen am Wohnmobil durchführen zu können, die während der dauerhaften Nutzung fast nicht möglich sind. Es wurden zusätzliche Klappen im Innenraum angebracht, ein Schalter für den Wechselrichter in den Innenraum verlegt, Silikonfugen ausgebessert und um den Kühlschrank wurde zusätzlich abgedichtet, da wir festgestelt haben, dass kalte Luft durch die Lüftungsgitter von außen bei starkem Wind richtig doll in den Innenraum gelangt. Und dann gab es da noch zwei Geburtstage, Weihnachten und den Jahreswechsel zu feiern…

Am 04. Januar machen wir uns dann mit KAZYmir auf den (kurzen) Weg. Es fühlt sich ein bisschen an wie „heimkommen“, als wir all unser Gepäck wieder in unserem Wohnmobil verstauen. Wir fahren nach Leonidio, ins Paradies für Felskletterer. Denn für die nächsten Tage steht Klettern auf unserem Programm. Wir haben uns das Ziel gesetzt, möglichst schnell in der Lage zu sein, als Familie autark klettern gehen zu können. Ohne auf andere angewiesen zu sein, die uns sichern und ohne uns zuerst viel Ausrüstung besorgen zu müssen. Dazu fehlt uns noch etwas Wissen, aber auch noch so einiges an Ausrüstung. 

Erster Schritt: Wir organisieren einen ganzen Tag Training für Manu und mich, und zwar mit Sergi, dem hiesigen Kletter-Guide. Am 6. Januar geht´s um 9:00 Uhr morgens los. Wir treffen uns im Klettershop der „Panjika Kooperative“, einer Gruppe von Kletterbegeisterten, die in Leonidio mit für die Kletter-Infrastruktur verantwortlich sind. Nachdem unsere Ausrüstung komplett, Schuhe und Helme anprobiert und ausgesucht und alles gepackt ist, fahren wir mit Sergi zum Klettersektor. Sergi ist Katalane und war ebenfalls mit seinem Van auf großer Reise, als der erste Covid-Lockdown ihn in Leonidio erwischte. Seitdem lebt er hier und bietet alle Arten von Kletterunterricht für die Panjika Kooperative an.

An diesem für uns sehr intensiven Tag lernt Manu das Sichern des Kletternden, bei mir liegt der Schwerpunkt auf dem Klettern im Vorstieg am Fels. Am Nachmittag steht noch das Umbauen / Abbauen der Sicherung am Top (höchster Punkt der Kletterroute) auf dem Programm. Und auch Basti und Tara dürfen endlich mal ran. Nach fast sieben Stunden an der Felswand packen wir alles zusammen und fahren total fix und fertig zurück zum Shop. Hier steht noch die Vervollständigung unserer eigenen Ausrüstung an, denn bisher haben wir nur Kletterschuhe und zwei Sicherungsgurte dabei. Daher kaufen wir ein 80 Meter langes Kletterseil, Expressschlingen, diverse Karabiner, Selbstsicherungsschlingen und  zwei weitere Sicherungsgurte. Nicht gerade vorteilhaft für unsere Reisekasse, aber eine Investition in Familienzeit am Fels…

In den nächsten Tage verbringen wir jeden sonnigen Tag am Fels und testen einige der fast unzähligen Klettersektoren in und um Leonidio, in denen mehr als 2.500 Kletterrouten präpariert sind. Wir treffen uns oft auch mit Henning und Anja, die wir hier zufällig kennengelernt haben und die bereits seit einigen Wochen kletternd in Leonidio verbringen. Besonders ihre Tochter Ella freut sich riesig, mit Tara eine gleichaltrige Kletterpartnerin gefunden zu haben. Nach manchmal echt heiklen Anfahrten mit KAZYmir und zum Teil richtig anstrengenden Zustiegen zum Wandfuß genießen wir fantastische Ausblicke, testen unsere neue Ausrüstung und wachsen über uns hinaus. Und dabei verbringen wir Zeit zusammen als Familie den ganzen Tag in der Natur. Wenn wir dann abends zu KAZYmir zurückkehren, ist es so schön, in müde und sehr zufriedene Gesichter zu blicken. 

An Tagen mit schlechterem Wetter gönnen wir unseren Muskeln, vor allem aber unseren vom zum Teil doch sehr rauen Kalkstein arg mitgenommenen Fingerkuppen eine wohlverdiente Pause vom Klettern. Wir unternehmen kleinere Wanderungen, holen die durch die kompletten Klettertage verschobene Lernzeit der Kinder nach, bauen zusammen mit Basti und Tara Balance Boards (das Weihnachtsgeschenk für die Kinder), genießen Leckereien aus den vielen Bäckereien Leonidios und vertreiben uns die Zeit mit Kartenspielen oder Lesen.

Die Nächte verbringen wir entweder direkt an wenig befahrenen Zufahrtsstraßen zu den etwas außerhalb gelegenen Klettersektoren oder aber noch lieber direkt am Strand. Besonders hier tut es gut, nachts in einen atemberaubenden Sternenhimmel zu schauen und morgens um etwa 7:30 Uhr von der aufgehenden Sonne geweckt zu werden. Denn diese Naturschauspiele entschädigen uns für die doch sehr kalten Nächte mit nur knapp über Null Grad Celsius. 

Nach fast 3 Wochen in Leonidio sind wir uns sicher: Wir haben ein neues Hobby für unsere gesamte Familie entdeckt. Und das Beste daran ist, dass wir die hier gemachten Kletter-Erfahrungen an vielen weiteren Orten unserer Reise weiter ausbauen können und wollen.

English Version:

My breath goes faster and faster. My fingers cling to the warm rock. I absolutely do not trust the small ledges on which my toes are standing. My whole body starts to tense up. I’m about 20 meters up a red rock face above Leonidio and I don’t know how much longer I can hold on… Then I remember one of the most important lessons in climbing: let your feet do the work, look for footholds that are a little higher than the previous ones. There’s one there, about 20 centimeters above my left foot. And it’s exactly those 20 centimeters that make the difference. I’m suddenly within reach of a good grip with my right. I made it. A quick breath, then it’s on up the rock face… It’s exactly these moments that make it for us, climbing, overcoming our own fear of heights, testing our own limits. But also the time together as a family in nature.

Review:
After almost 3 weeks of „Christmas break“, which we spend with a solid roof over our heads in Tyros on the Peleponnes east coast, we are happy when we start again with our camper. We really enjoyed this time in a cozy cottage in the mountains overlooking the sea. It was nice to have the little conveniences of everyday life, doing laundry with a washing machine and using a dishwasher for example. We also used the time to be able to make some repairs and improvements to the motorhome that are almost impossible to do during permanent use. Additional flaps were installed, a switch for the inverter was moved into the interior, silicone joints were repaired and the refrigerator was additionally sealed, because we have found that cold air blows into the interior through the ventilation grilles from the outside in strong winds. And then there were two birthdays, Christmas and the turn of the year to celebrate…

On 04 January we then set off with KAZYmir on the (short) trip. It feels a bit like „coming home“ when we stow all our luggage back in our camper. We drive to Leonidio, the paradise for rock climbers. Climbing is on our agenda for the next few days. We have set ourselves the goal of being able to go climbing self-sufficiently as a family as quickly as possible. Without having to rely on others to belay us and without having to rent a lot of equipment first. For this we still lack some knowledge, but also we lack quite a lot of equipment. 

First step: We organize a full day of training for Manu and me, with Sergi, the local climbing guide. On January 6, we start at 9:00 in the morning. We meet at the climbing store of the „Panjika Kooperative“, a group of climbing enthusiasts who are responsible for the climbing infrastructure in Leonidio. After our equipment is complete, shoes and helmets tried on and selected, and everything packed, we drive with Sergi to the climbing sector. Sergi is Catalan and was also on a big trip with his van when the first Covid lockdown caught him in Leonidio. Since then he lives here and offers all kinds of climbing lessons for the Panjika cooperative.

On this for us very intensive day, Manu learns how to belay the climber, for me the focus is on leading on the rock. In the afternoon, the rebuilding / dismantling of the belay at the top (highest point of the climbing route) is on the program. And also Basti and Tara are finally allowed to climb. After almost seven hours on the rock face, we pack everything up and drive back to the store, totally exhausted. Here we still have to complete our own equipment, because so far we only have climbing shoes and two safety harnesses. Therefore, we buy an 80 meter long climbing rope, express slings, various carabiners, self-belay slings and two more safety harnesses. Not exactly beneficial for our travel budget, but an investment in family time on the rock…

In the following 2,5 weeks, we spend every sunny day on the rock and test some of the almost countless climbing sectors in and around Leonidio, where more than 2,500 climbing routes are prepared. We often also meet up with Henning and Anja, whom we met here by chance and who have already been spending a few weeks climbing in Leonidio. Especially their daughter Ella is very happy to have found a climbing partner of the same age as Tara. After sometimes really tricky approaches with KAZYmir and really strenuous hikes to the base of the wall, we enjoy fantastic views, test our new equipment and grow beyond ourselves. And we spend time together as a family all day in nature. When we then return to KAZYmir in the evening, it is so nice to look into tired and very satisfied faces. 

On days with bad weather, we give our muscles, but especially our fingertips a well-deserved break from climbing. We go on smaller hikes, catch up on the children’s learning time that was postponed due to complete climbing days, build balance boards together with Basti and Tara (the Christmas present for the children), enjoy treats from Leonidio’s many bakeries, and pass the time playing cards or reading.

We spend the nights either directly on little frequented access roads to the climbing sectors located outside the city or -even better- directly on the beach. Especially here it is good to look into a breathtaking starry sky at night and to be awakened by the rising sun at about 7:30 in the morning. These natural spectacles compensate us for the very cold nights with just above zero degrees Celsius. 

After almost 3 weeks in Leonidio we are sure: We have discovered a new hobby for our whole family. And the best part is that we can and want to expand the climbing experiences made here in many other places on our trip.