Tag

downsizen

Browsing

Das ist es. Mein Motto für den ersten Teil unserer großen Reise. Diese beiden Eigenschaften sind es, die ich meistern will, in denen ich besser werden will. Aber alleine bei diesem Vorsatz stellen sich mir schon unzählige Fragen: Bis wohin oder wann geht der erste Teil unserer Reise? Kann man ein solches Thema überhaupt mit einem Teil einer solchen Reise verbinden? Ist dieser Vorsatz nicht schon viel zu groß, reicht denn nicht eins von beiden? Ist es überhaupt möglich, geduldiger zu werden ohne auch gelassener zu sein?

Im letzten Winter, als wir mitten in den Reisevorbereitungen steckten, kam mir die Idee, jeden Reiseabschnitt unter ein bestimmtes Thema zu stellen. Dieses Thema soll gleichzeitig eine Chance für mich sein, mich selbst herauszufordern und zu lernen. Auch denke ich, dass wir den Beginn eines neuen Reiseabschnitts sehr schnell bemerken werden, wenn er da ist. Ich werde gar nicht erst versuchen, diese Etappen vorher zu planen.

Und ja, das Verbessern der oben genannten Eigenschaften gleich zu Beginn ist ein ordentlicher „Brocken“, aber genau diese beiden sind es, die ich bei unserem (doch etwas holprigen) Start in unser großes Abenteuer jetzt benötige und somit bestens trainieren kann.

Woltersdorf bei Berlin. 26. Juni 2021. 19 Uhr. Wir haben es geschafft. Hinter uns liegen die ersten ca. 700km, KAZYmir hat geschnurrt wie ein Kätzchen. Vor uns liegen ein paar Tage Entspannen am Kalksee bei meinem Bruder Eric. Er wohnt traumhaft mit Blick auf den See, liebevoll gestaltetem Garten und einer Parkmöglichkeit für KAZYmir direkt vor dem Haus. Wir verbringen ein sehr entspanntes Wochenende mit Schwimmen, Stand-up paddeln und leckerem Essen. Montags dann doch sicherheitshalber ein Anruf beim Bosch Service in Berlin, den Spezialisten für eine weitere Einschätzung zu einigen im Kraftstoffsystem gefundenen Spänen bei der Reparatur in Karlsruhe. Aussage Karlsruhe: „Muss halt irgendwann mal gemacht werden. Kann in 200 oder 20.000km sein.“. Aussage Berlin: „Am besten starten Sie das Auto nicht mehr. Das muss sofort gemacht werden, dass sich die Späne nicht ausbreiten können… Den nächsten freien Termin haben wir aber erst in 3 Wochen… Bringen Sie das Fahrzeug in ner Woche vorbei, aber nehmen Sie sich die nächsten 2-3 Wochen danach keine Reise damit vor… und es kann teuer werden.“ Wir reagieren einigermaßen gelassen, man gewöhnt sich offenbar an alles. Und Geduld brauchen wir auch mal wieder, da wir nicht wissen, wann wir unser Problemkind wieder abholen können. Und an dieser Stelle fühle ich mich schuldig, da Euch selbst beim Lesen dieser Ereignisse inzwischen wahrscheinlich schon langweilig wird???

Ulvshale bei Stege, Insel Moen, Dänemark. 12. Juli 2021. Wieder 19 Uhr. Es ist viel passiert seither… Wir haben unseren Kindern einige der wie leergefegten touristischen Attraktionen von Berlin gezeigt – es macht irgendwie Sinn, bei der eigenen Hauptstadt anzufangen, bevor wir in die Ferne aufbrechen. Nach weiteren Kalksee-Tagen voller Recherche und Organisation sind die Vorbereitungen abgeschlossen. Meine Geduld wird wieder mal auf die Probe gestellt, und dann brechen wir auf. Zu viert, mit vier schwer bepackten Fahrrädern, einem Lastenanhänger voller Camping-Equipment und viel Abenteuerlust. Der Ostseeküstenradweg in Dänemark soll es sein. Unsere erste mehrtägige Fahrradtour mit unseren Kindern überhaupt. Ohne Generalprobe. Gelassen bleiben. Heute ist unser sechster Tag. Von der Werkstatt gibt es noch keine Neuigkeiten. Geduld.

Das Wichtigste ist: Wir sind angekommen. Im Abenteuer. Wir sind mitten drin in unserer Reise. Endlich.

Wisst ihr denn schon, wann genau, wohin genau?  Die Antwort darauf ist aktuell noch ein klares JEIN. Aber wir wissen, dass Kazymir in zwei Wochen unser neues Zuhause sein wird… und wieder ein Schritt auf unserem Weg…

Nachdem wir den April mit all seinen ungeplanten Herausforderungen endlich hinter uns lassen können, starten wir hier im Mai in die heiße Phase vor dem Reisebeginn. Dabei sind Kopf und Herz, Verstand und Bauchgefühl, permanent im Zwiegespräch. Mein eigenes, inneres, meines mit dem meines Mannes, meines mit dem meines Sohnes, meines mit dem meiner Tochter…Und jeder Tag ist  voller Zeitsprünge, in die Vergangenheit, in die Gegenwart und in die Zukunft,  innerhalb weniger Augenblicke. Und meist steht die Frage dahinter: Was bedeutet es mir, kann es gehen, soll es bleiben, brauchen wir es auf unserer Reise? Was ist denn jetzt das Wesentliche? Und ist das Wesentliche für meinen Kopf das gleiche wie für mein Herz? Wie ist das bei euch?

Ja, und wir? Wir sortieren und packen Kisten, momentan gönnen wir uns noch den Luxus nicht einfach alles hektisch in Kisten zu packen (note to myself: mal sehen, wie lange noch), sondern dabei auch zu sortieren in: „Brauche ich nicht mehr“, „brauche ich nach der Reise“ und „brauche ich auf der Reise“. Dieses achtsame und hinterfragende Betrachten von mehr als 10 Jahren Familienleben in diesen 4 Wänden, diese vielen kleinen Schätze, Kinderzeichnungen, Erinnerungen, Gegenstände, Spielsachen, Kuscheltiere, Bücher sind das Eine. 

Dann sind da noch unsere To-Do Listen für jeden Raum, die allgegenwärtig an der Eingangstür hängen, die immer wieder ein Häkchen erhalten (Abhaken = großartig) haben. Und wir merken beim Aussortieren, Verkaufen und Verschenken… mit jeder Kiste wird es leichter. Nicht nur dieses Haus, sondern auch wir. Das tut gut. Eigentlich, denke ich, sollte man alle paar Jahre zumindest so tun, als würde man ausziehen und mindestens zwei (besser vier) Wochen Zeit haben… so kann man wirklich einigen Ballast abwerfen und die Dinge, die uns wirklich glücklich machen, entsprechend würdigen, die Fotos endlich einkleben, die Kinder-Malereien endlich mal zu einem Buch binden lassen und die aufgegangene Naht am Lieblingskleid endlich mal nähen. Kennt ihr das? Diese Kiste mit unvollendeten Projekten? Nicht, dass wir die jetzt alle erledigen könnten, aber manches vielleicht schon, und anderes darf einfach gehen… weil es einfach nicht mehr wesentlich ist und ein kleines unvollendetes Projekt darf dann auch noch in eine Kiste wandern (Psst, aber nicht Adrian erzählen).

 Unserer tierischen Mitbewohner, die Meeris und die Fische haben den Umzug in ihre liebevollen Pflegefamilien gemeistert. Das war ein großer Sorgen-Punkt auf unserer Liste. Wer wird sich um unserer Tiere kümmern? Wie wird es für die Kinder? Basti und Tara schwanken noch zwischen Abschiedsschmerz und dem Wissen, dass es ihren Tieren dort echt gut geht. Daher ist es toll, dass sie jederzeit zu unseren Freunden radeln können, um ihre Meeris zu besuchen. 

Und dann ist da noch das Andere:  die Orte. Zuhause. Und doch sind es viele kleine Orte, denen unser Herz gehört. Orte, die wir mit Erlebnissen verbinden, die uns glücklich machen: der Balkon zum Frühstücken, der Lieblingssessel zum Lesen, das Trampolin auf dem Kinder und Meerschweinchen gemeinsam gekuschelt haben (note to all: Don’t worry, es wurde nicht gesprungen, sondern Mensch und Tier lagen und saßen mit Klee- und Grashäufchen entspannt auf dem weichen warmen Untergrund), die Abendsonne, die immer durch das Küchenfenster reinscheint und unsere Gesichter anstrahlt, wenn wir abends kochen oder abspülen, je nachdem wie spät wir dran sind, die Hochbetten, an denen wir abends standen (und stehen oder wahlweise auch mit drin liegen) und unsere schlafenden Kinder bestaunt haben, der Platz vor dem Holzofen im Wohnzimmer, der den ganzen Winter über, der heißbegehrteste ist, zum Vorlesen, Spielen, Yoga üben, Yoga unterrichten, für Familienrat-Runden, zum Kino Abend, zum Dinner, zum einfach mal ins Feuer zu schauen oder um dort in Elternnähe abends einschlafen zu können, wenn das eigene Zimmer einfach mal nicht der richtige Ort ist….

Also, sind es eigentlich doch eher die Momente, die die Orte, die wir lieben, und in denen wir voll und ganz – wir – sein dürfen, ausmachen. 

Und bevor dieser Text zu lange wird, höre ich schnell auf, denn hier warten noch einige Stapel auf uns… Jetzt sitzt Tara mit der potentiellen Reise-Bastelkiste vor mir und die ist noch viel zu groß…. Denn man tau (wie der Bremer sagt), und nicht zu lange überlegen.  Denn…

Das Glück liegt in uns, nicht in den Dingen.“  (Siddhartha Gautama Buddha)