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Bikepacking

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1. Die erste Nacht

Es ist später Nachmittag und ich bin müde. Müde von einem langen Fahrttag, der nach dem Frühstück an der französischen Atlantikküste begonnen hat und nun zwischen San Sebastian und Bilbao an der spanischen Nordküste für heute enden soll. Der Tag ist nicht nur wegen einigen hundert Fahrkilometern vollgepackt, denn wir mussten zunächst aus unserem Campingplatz auschecken, haben frisches Obst und Gemüse in einem französischen Bio-Hofladen besorgt und nach der Grenze in einem großen Supermarkt alle weiteren Lebensmittel wieder aufgefüllt.
Lange konnten wir uns zwischen zwei potenziellen Parkplätzen für Wohnmobile nicht entscheiden, schließlich haben wir uns für den Parkplatz an einem Fluss nahe eines kleinen Küstenstädtchens entschieden. Nichts besonderes, aber für heute Nacht muss es reichen.

Wir erreichen den Platz gegen 18 Uhr, machen noch einen kleinen Spaziergang am Fluss. Dann ist die Zubereitung des Abendessens angesagt. Außer unserem ist noch ein weiteres Wohnmobil hier abgestellt, ebenfalls ein älteres Modell. Von den Insassen fehlt jede Spur. Vielleicht sind sie im Restaurant gegenüber gerade etwas essen oder trinken? 
Nach einem gemütlichen Familien-Abendessen geht es früh zu Bett. Das andere Wohnmobil ist mittlerweile weggefahren. Wir sind alleine auf dem Parkplatz. Von der Straße her dringt konstanter Straßenlärm an unsere Ohren und auch die Bar gegenüber ist zu hören. Heute also keine ruhige Nacht in der Natur, aber so ist es halt manchmal. Trotz Geräuschkulisse schlafen wir schnell ein…

RUMMS. Ein lautes Bollern mitten in der Nacht. Draußen ist es stockdunkel. Was war das? Da, schon wieder dieses Bollern. Dann grölt jemand lautstark, und zwar ganz in der Nähe. Was ist denn hier los? Auch Manu ist wachgeworden und schaut mich fragend und etwas ängstlich an. Ich stehe auf, um nachzusehen. Die Lichter lasse ich aus, gehe nach vorne, schiebe den Vorhang zur Fahrerkabine zurück und spähe nach links auf den Parkplatz: Dort steht wieder das Wohnmobil vom Abend, das irgendwann verschwunden war. Die Tür zum Wohnraum ist offen, der Insasse des Wohnmobils sitzt anscheinend auf den Eingangsstufen, denn ich kann im schwachen Licht der Straßenbeleuchtung seine nackten Beine bis zu den Knien erkennen. Der Rest des Körpers sitzt im Innern des Campers und liegt daher im Dunkeln. Dann wieder das Grölen. Es ist definitiv unser Parknachbar, der offensichtlich sturzbetrunken ist. 
Dann steht der Mann auf und torkelt nach draußen. Ich traue meinen Augen nicht! Der Kerl ist splitternackt! Ein bulliger Typ mit Glatze. Er schwankt nach vorne zu seiner Motorhaube, lehnt sich mit seinem nackten Gesäß dagegen und pinkelt auf den Parkplatz. Es ist klar erkennbar, dass er Mühe hat, sich auf den Beinen zu halten.
Vorsichtig ziehe ich mich zurück und berichte Manu, was da draußen vor sich geht. Dann rummst es wieder und ich höre abermals wütende Schreie. Zurück an meinem Ausguck kann ich erkennen, dass unser Wohnmobilnachbar wieder drinnen ist. Jetzt kämpft er mit seiner Tür, die er wieder und wieder mit voller Wucht von Innen zuschlägt. Sie schließt aber nicht. Wild gestikulierend schreit er seine Wut heraus, brüllt seine Tür an. In welcher Sprache ist nicht auszumachen. 
Auch unsere Kinder sind mittlerweile wach und wir berichten, was draußen vor sich geht. Und zum ersten Mal auf unserer Reise fühlen wir uns absolut nicht sicher. Wir können nicht abschätzen, zu was dieser Mensch imstande ist. Wir beschließen, so schnell wie möglich das Weite zu suchen.
Also so leise wie möglich und mit möglichst wenig Schaukeln unser Wohnmobil fahrfertig machen. Das Nötigste muss reichen. Ein weiterer Blick aus dem Fenster. Gut, der Typ ist drinnen und grölt dort weiter. Also klettere ich schnell auf dem Fahrersitz, lasse den Motor an und wir fahren so schnell wie möglich davon. 
Glücklicherweise verlässt unser Nachbar sein Mobil bei unserer Flucht nicht und wir können ungestört den Parkplatz verlassen. Es ist halb sechs Uhr morgens, als wir beim anderen zuvor rausgesuchten Parkplatz ankommen. Hier stehen mehrere Wohnmobile und zum Glück ist alles ruhig. Auch wir haben uns nochmal ein paar Stunden Erholung verdient und nachdem die Aufregung langsam abgeklungen ist, schlafen wir tatsächlich ein weiteres Mal ein.

Es ist bereits halb Zehn, als wir aufwachen. Um uns herum herrscht bereits Aufbruchsstimmung. Und obwohl diese erste Nacht nicht gerade ein guter Einstieg für unsere Reise durch Spanien war, freuen wir uns darauf, dieses Land zu erkunden. Kann ja nur besser werden. Hoffentlich!

2. Bilbao und das Guggenheim

Ich werde tendenziell immer etwas nervös, wenn ein Stadtbesuch mit unserem mehr als acht Meter langen und fünf Tonnen schweren Wohnmobil auf dem Programm steht. Die spannendste Herausforderung dabei: Wo können wir parken? Und wie kommen wir zu diesem Parkplatz? Gerade in Bilbao gibt es noch ein weiteres Problem, denn wir haben von vielen aufgebrochenen Wohnmobilen gehört. Sicher muss er also auch sein, unser Parkplatz. 
Nach langer Recherche werden wir fündig: Wir parken an der Stierkampfarena. Kaum zu glauben, dass es diese Einrichtungen immer noch gibt. Und tatsächlich fanden erst im August für eine Woche hier jeden Tag Stierkämpfe statt. Hier befindet sich ein bewachter Parkplatz, auf dem wir auch übernachten können. Für 20 Euro. Nicht gerade ein Schnäppchen, aber die Sicherheit unseres Campers ist uns das wert.

Einen kurzen Spaziergang später taucht unser heutiges Ziel vor uns auf. Schon von Weitem sticht das silbern in der Sonne schimmernde, futuristisch aussehende Gebäude ins Auge. Das Guggenheim Museum für zeitgenössische Kunst ist schon von Außen dermaßen beeindruckend, dass sich der Besuch bereits vor dem Eintreten gelohnt hat. 

Durch einen weitläufigen und offen gestalteten Eingangsbereich gelangen wir in eine riesige Halle. Überall ragen gewaltige Stahlblechkonstruktionen in die Höhe. Die ca. 10 Zentimeter dicken, mindestens 4 Meter hohen und viele Meter langen Stahlbleche sind beeindruckend und einschüchternd zugleich. Wellenlinienförmige Anordnungen können durchquert, Spiralformen bis ins Innere verfolgt werden. Oft entsteht ein Gefühl der Enge, die hallende Akkustik verleiht der Umgebung eine etwas gespenstische Atmosphäre. Ich frage mich die ganze Zeit, wie diese tonnenschweren Bleche so exakt gebogen, positioniert und verschweißt werden konnten.

In den folgenden zweieinhalb Stunden erleben wir Licht- und Rauminstallationen, surrealistische und minimalistische Objekte und damit beeindruckende Kunst, die nicht leicht verständlich ist und so einige Fragen aufwirft. Gut, wenn man eine Kunstlehrerin gleich mit dabei hat…
Schließlich schauen wir uns noch die temporäre Ausstellung zur Geschichte und Zukunft des Automobils an. Während ich mit offenem Mund vor James Bond´s Original Aston Martin schmachte, steht Manu kopfschüttelnd und schockiert vor Meisterwerken der Kunstgeschichte, die zur ständigen Ausstellung gehören, die aber zwischen all den auf Hochglanz polierten Autos einfach untergehen. Wenn Manu nicht ehrfürchtig vor Brancusi´s „Vogel“ inne gehalten hätte, wäre ich schlichtweg vorbeigelaufen.

Nach dem Museum schlendern wir noch einige Zeit durch die quirlige Stadt, genießen ein leckeres Abendessen in einem Restaurant und spazieren schließlich zurück zur Stierkampfarena. Dort verbringen wir eine geräuschvolle Nacht auf unserem Parkplatz mitten in Bilbao, wo anscheinend nicht viel geschlafen wird. Aber auch solche Nächte gehören zu einer langen Reise dazu. Und geruhsamer als unsere erste Nacht in Spanien ist diese allemal… 

3. Die Folgen des Feuers

Verkohlte Baumskelette wohin wir schauen. Schwarzer Boden. Verbranntes Gebüsch. Abgebrochene Stromleitungen. Seit einigen Kilometern schon fahren wir durch eine Landschaft, die an Endzeitfilme erinnert. Und ein Ende der Zerstörung ist nicht in Sicht!
Eher zufällig sind wir nur einen Tag vor Einreise nach Portugal auf diesen ältesten portugiesischen Nationalpark gestoßen und waren sofort begeistert. Doch bei weiterer Recherche stoßen wir auf besorgniserregende Meldungen. Denn genau hier wütete noch vor sechs Wochen einer der schlimmsten Waldbrände der jüngeren portugiesischen Geschichte. Macht es dann überhaupt Sinn, dorthin zu fahren? Kann man dort aktuell überhaupt wandern? Dazu finden wir erstmal nichts im Internet. Und wollen wir eine solche Katastrophe überhaupt „live und in Farbe“ erleben? Ja, denn es wird uns ein weiteres Mal vor Augen führen, wie die Folgen des Klimawandels wirklich aussehen. Wir beschließen, uns auf den Weg zu machen.. 
Nun fahren wir seit mehr als 30 Minuten im Nationalpark auf der Bergstraße nach Manteigas, touristisches Zentrum und Ausgangspunkt vieler Wanderwege. Inmitten dieses riesigen verbrannten Waldes wird uns das Ausmaß der Zerstörung hier erst richtig bewusst. 
Kurz vor Erreichen des Bergdorfes ändert sich die Farbe um uns herum von schwarz zu üppigem Grün. Wie mit dem Lineal gezogen endet die Zerstörung. Manteigas hatte Glück und wurde größtenteils vom Brand verschont. 
Im Besucherzentrum erfahren wir, dass 25.000 Hektar Wald in diesem Sommer den Flammen zum Opfer gefallen sind. Daher sind viele der Wanderwege aktuell nicht mehr begehbar und gesperrt. Eine Rundwanderung ist allerdings offen.

90% of the trail is still green!“ 

erklärt uns der Mitarbeiter des Besucherzentrums und stattet uns mit Karte und weiteren Infos aus. Allerdings ist die Traurigkeit und der Schmerz deutlich zu spüren und von seiner Miene abzulesen, als er über das Feuer spricht.

Wir parken auf einem Parkplatz in der Nähe des Startpunkts der Wanderung, schultern unsere Rucksäcke mit Proviant und laufen los. Am Ortsrand angekommen verläuft ein Kopfsteinpflasterweg zunächst steil bergauf und wir betreten Mischwald. Je weiter wir kommen, desto höher wird der Anteil an hohen Kieferbäumen. Wir sind komplett vom satten Grün des Waldes umgeben und wandern an einer Bergflanke entlang. Immer höher steigt der Wanderweg an, schließlich sind über 500 Höhenmeter im Lauf der Wanderung zu bewältigen. Nach etwa einer Stunde ist es dann soweit: Wir verlassen „gesunden“ Wald und betreten das Ödland, welches nach einer solchen Brandkatastrophe übrig bleibt. Uns stockt der Atem, als wir die verkohlten Überreste ehemals vor Kraft strotzender Baumriesen passieren. Es tut fast schon körperlich weh, als wir auf diese Weise erleben, wie zerbrechlich unsere Natur ist…
Noch bizarrer wird die Szenerie, als wir den höchsten Punkt der Wanderung erreichen. Hier verläuft eine kleine asphaltierte Straße auf dem Bergkamm. Gut erkennbar ist, dass diese Straße von der Feuerwehr zur Bekämpfung des Feuers eingesetzt wurde. Auf der rechten Seite der Straße nur schwarzes Ödland. Links dagegen unberührte grüne Bergwälder. Wirklich unwirklich.

Nach einem steilen Abstieg ins Nachbartal erreichen wir einen Wasserfall, an dem wir kurz rasten. Wir strecken die Füße ins kalte Nass, während uns die Nachmittagssonne die Gesichter wärmt. Dann geht es am Hang entlang zurück nach Manteigas. 
Schwere Kost. Harter Tobak. Das war sie, diese Wanderung. Wir sind trotzdem froh, die Serra de Estrela besucht zu haben. Nur zu deutlich hat uns dieser Teil der Reise doch gezeigt, wie einzigartig unser Planet ist, wie schnell Katastrophen ganze Landstriche und Lebensräume zerstören können und wie schützenswert unsere einzigartige Natur ist. 

4. Die neunte Panne mit unerwarteten Folgen

Hört das denn nie auf? Allerspätestens seit unseren beiden Pannen in Frankreich im Abstand von 5 Tagen sind wir der Meinung, dass es eigentlich kein Teil unseres Wohnmobils gibt, welches noch nicht kaputt war und wir während dieser Reise schon ausgewechselt haben. Doch seit Spanien ertönt ein durchdringendes Quietschen, wenn wir morgens losfahren. Naja, es wird ja wohl nicht so schlimm sein, denn nach kurzer Fahrt ist nichts mehr zu hören. Allerdings wird es bei der Durchquerung von Spanien schlimmer. Also doch mal jemanden fragen, der Ahnung hat.
In Portugal finden wir so heraus, dass es nicht wie angenommen „bloß“ der Keilriemen ist, der einfach nachgespannt werden will. Nein, es scheint vom Zahnriemen zu kommen. Und da dies direkt die Motorfunktion betrifft, besuchen wir halt an der Algarve eine weitere Werkstatt. 
Wir kommen donnerstags am Nachmittag an. Ein Mechaniker nimmt die Verkleidung ab und stellt fest, dass das Antriebsrad des Zahnriemens am Flansch gebrochen ist. Außerdem muss der Zahnriemen getauscht werden, da er durch Öl aus dem Motorraum stark beschädigt ist. Wir haben anscheinend Glück gehabt, denn wir sind kurz vor einem Motorschaden. Da ist sie also: Unsere Panne Nummer 9.

Die meisten Teile sind schnell bestellt, allerdings wird das Antriebsrad nicht mehr gefertigt. Das müssen sie suchen, sagt die Werkstatt. Dafür brauchen sie Zeit. Schnell ist klar, dass die Reparatur sehr wahrscheinlich nicht am morgigen Freitag fertiggestellt werden wird. Daher werden wir mindestens bis Montag warten müssen. 
Relativ gelassen (wir sind schließlich inzwischen geübt in dieser Situation) stellen wir uns also die Frage:
Wandern oder Radfahren?
Der Familienrat beschließt, eine mehrtägige Radtour an der Algarve zu unternehmen. Schließlich verläuft hier der Eurovelo Nr. 1. Da sollte es wohl auch eine entsprechende Fahrradinfrastruktur geben. 
Den Rest des Donnerstags bereiten wir alles vor: Fahrräder runter vom Wohnmobil, Fahrradtaschen mit Proviant, Kochutensilien, Zelt, Schlafsäcken und Isomatten packen. Wieder einmal sind wir froh, dass uns der Stauraum unseres KAZYmir diese Flexibilität ermöglicht.
Nach einer letzten Nacht im Wohnmobil auf dem Hof der Werkstatt geht es Freitags morgens dann los. Von Alcantarilha geht es zunächst bei Armaçao de Pera ans Meer, wo wir auf den Eurovelo Radweg stoßen. Nach einem leider sehr kurzen Abschnitt an der Küste entlang biegt die Route dann ins Landesinnere ab und verläuft zunächst auf Schotterwegen über Felder. Unsere erste Rast machen wir im Schatten eines Mandelbaums. Um uns herum ist alles staubtrocken. Wie auf diesen Feldern etwas wachsen soll, ist uns schleierhaft. Wir knacken einige frische Mandeln, trinken ordentlich Wasser. Dann geht’s weiter. 
Leider ist Eurovelo-Infrastruktur in Portugal nicht zu vergleichen mit unserer ersten Tour auf einem der europäischen Radwege. Die liegt nun schon 15 Monate zurück und führte durch den Süden Dänemarks

. Hier an der Algarve sind selten Markierungen zu sehen, die zu absolvierenden Steigungen sind nicht zu unterschätzen und die Strecke verläuft leider sehr oft auf Landstraßen mit einigem Verkehr. 

Als wir in Portimao am späten Nachmittag gerade schwitzend einen Hügel erklommen haben und eine kurze Trinkpause einlegen, hält ein anderer Radreisender neben uns: Jasper kommt aus den Niederlanden, ist schon seit März mit dem Rad unterwegs und erzählt uns, dass er in Luz bei einer belgischen Familie über die Plattform „Warm showers“ für einige Tage unterkommen wird. Er bietet uns an, dort einmal nachzufragen, ob wir am darauffolgenden Tag dazustoßen können. Wir nehmen dankbar an.
Unsere erste Nacht verbringen wir auf einem Campingplatz in Alvor und freuen uns über die Gelegenheit, nach dem doch anstrengenden Radtag noch kurz in den Pool springen zu können, bevor wir müde ins Zeltbett fallen…
Auch der nächste Tag ist sonnig, heiß, und unsere Strecke bleibt leider genauso hügelig wie am Vortag. Landschaftliches Highlight dieses Tages sind definitiv die Klippen beim Leuchtturm von Lagos und das klare blaue Meer, welches kraftvoll an die roten Felsformationen kracht. Am Nachmittag nehmen wir die restliche Strecke nach Luz in Angriff, denn mittlerweile hat uns Jasper mitgeteilt, dass wir bei der belgischen Familie herzlich Willkommen sind. 

Und so lernen wir Femke und Famillie kennen, die vor 6 Jahren nach Portugal gezogen sind. Mittlerweile vermieten sie mehrere Wohnungen auf ihrem Grundstück per AirBnB und seit kurzer Zeit steht eine herzförmige Fläche mitten im Garten Radreisenden gratis zum Übernachten zur Verfügung. Inklusive der Nutzung einer gemütlichen Außenküche, einer heißen Dusche und einer Komposttoilette. Auch Schweine, Hühner, Schafe, Hasen und Meerschweinchen gibt es hier. Tara ist voll in ihrem Element.

Schnell ist klar, dass wir hier am Sonntag einen Pausentag einlegen wollen und am Montag Morgen bei der Werkstatt den Stand der Reparatur zu erfragen.
Die Antwort der Werkstatt fällt ernüchternd aus. Sie konnten das Antriebsrad bislang nicht auftreiben, und ohne dieses Teil ist die Reparatur nicht durchzuführen. Als Femke davon erfährt, erwähnt sie einen Schrottplatz, der nur 8 Kilometer von ihrem Haus entfernt liegt. Wir bleiben also noch länger bei Femke und ich unternehme einen Halbtagesausflug ins Hinterland von Luz, um auf einem Schrottlplatz nach dem Antriebsrad für den Zahnriemen eines 30 Jahre alten Iveco LKWs zu suchen.
Es ist kaum zu glauben, aber tatsächlich gibt es dort einen defekten Motor, der exakt mein gewünschtes Antriebsrad enthält. Der Ausbau ist schnell gemacht. Die Preisverhandlung dauert länger. Ich weiß, dass der Neupreis bei ca. 50 Euro liegt. Der Schrottplatzbetreiber weiß um meine Situation und will: 50 Euro. Für ein zugegebenermaßen gut erhaltenes Antriebsrad, welches allerdings bereits mehr als 20 Jahre alt ist. Ich habe keine Wahl.

Dienstags steige ich also in den Bus und fahre von Luz nach Alcantariha, um am Nachmittag der Werkstatt das sehnlichst erwartete Ersatzteil zu überreichen. Und siehe da: Es passt.
Es dauert noch ganze drei weitere Arbeitstage, bis wir am Freitag Nachmittag die Nachricht bekommen, dass unser Wohnmobil wieder fahrtauglich ist und wir es am Montag Morgen dann endlich abholen. Da während dieser Zeit ein Regengebiet über den Süden von Portugal hinwegzieht, bleiben wir während dieser gesamten Zeit bei Femke und ihrer Familiie. Wir genießen es, diese herzliche und so gastfreundliche Familie kennen zu lernen, im Garten zu helfen und mit anderen Radreisenden (Giovanni und Francesco aus Italien) ausgiebig (italienisch) um die Wette zu kochen.
Wieder einmal hat uns eine Panne dazu verholfen, neue und wertvolle Begegnungen zu machen. Sie hat uns die Zeit gegeben, diese Menschen kennenzulernen. Sie hat uns die Chance gegeben, bewegende Gespräche zu führen. Und in diesem Fall hat sie uns sogar zum fehlenden Ersatzteil geführt.

English Version: On the Road – Short Stories from Spain & Portugal

1. The First Night
It is late afternoon and I am tired. Tired from a long day of driving, which started after breakfast on the French Atlantic coast and is now going to end for today between San Sebastian and Bilbao on the Spanish north coast. The day is packed not only because with a few hundred kilometers of driving, but we first had to check out of our campsite, bought fresh fruit and vegetables in a French organic farm store and replenished our food supplies after the border in a large supermarket.
For a long time we could not decide between two potential parking places for the night, finally we decide for the spot at a river near a small coastal town. Nothing special, but it will have to do for tonight.
We reach the place around 6 pm, take a little walk along the river. Then it’s time to prepare dinner. Besides ours, there is another motorhome parked here, also an older model. There is no trace of the occupants. Perhaps they are in the restaurant opposite just something to eat or drink?
After a cozy family dinner we go to bed early. The other motorhome has left in the meantime. We are alone in the parking lot. Constant street noise and the bar opposite of us is to be heard. Today, it won’t be quiet night in nature, but that’s how it sometimes is. Despite the background noise, we quickly fall asleep….
BANG! A loud banging in the middle of the night. Outside it is pitch dark. What was that? There, again this banging. Then someone barks loudly, very close by. What’s going on here? Manu has also woken up and is looking at me questioningly and somewhat anxiously. I get up to have a look. I leave the lights off, go to the front, push back the curtain to the driver’s cabin and peer to the left into the parking lot:
There again is the motor home from the evening, which had disappeared at some point. The door to the living area is open, and the occupant of the motor home is apparently sitting on the entrance steps, because I can make out his bare legs up to his knees in the dim light of the streetlights. The rest of the body sits inside the camper and is therefore in the dark. Then the screaming again. It’s definitely our neighbor, obviously drunk as a skunk.
Then the man gets up and staggers outside. I can’t believe my eyes! The guy is totally naked! A beefy guy with a bald head. He staggers forward to his hood, leans against it with his bare buttocks, and pees in the parking lot. It’s clear he’s having trouble staying on his feet.
Carefully, I pull back and report to Manu what’s going on out there. Then there is another rumble and I hear angry screams again. Back at my lookout, I can see that our RV neighbor is back inside. Now he is struggling with his door, slamming it again and again with full force from the inside. But it does not close. Gesticulating wildly, he shouts out his rage, yells at his door. In which language I don’t know.
Our children are also awake by now and we report to them as well.
And for the first time on our trip we feel absolutely not safe. We cannot estimate what this person is capable of. We decide to get away as quickly as we can.
So, as quietly as possible and with as little rocking as possible, we get our motorhome ready to go. The bare necessities will have to do. Another look out the window. Good, the guy is inside and continues to bawl there. So I quickly climb into the driver’s seat, start the engine and we drive off as fast as we can.
Fortunately, our neighbor does not leave his mobile during our escape and we can leave the parking lot undisturbed. It is half past five in the morning, when we arrive at the other parking lot we have searched out before. Here are several mobile homes and fortunately everything is quiet. We have also earned a few hours of rest and after the excitement has slowly subsided, we actually fall asleep one more time.
It is already half past nine when we wake up. Around us there is already a mood of departure. And although this first night was not exactly a good start for our trip through Spain, we are looking forward to exploring this country. It can only get better. Hopefully!

2. Bilbao and the Guggenheim
I always tend to get a little nervous when a visit to the city is on the agenda with our motorhome, which is more than eight meters long and weighs five tons. The most exciting challenge here is: where can we park? And how do we get to that parking space? Especially in Bilbao there is another problem, because we have heard of many motorhomes broken into. So it has to be safe, too, our parking lot.
After a long research we find it: We park at the bullring. Hard to believe that these facilities still exist. And in fact, bullfights were held here every day for a week as recently as August. There is a guarded parking lot here, where we can also spend the night. For 20 euros. Not exactly a bargain, but the safety of our camper is worth it to us.
A short walk later, our destination for today appears in front of us. Even from a distance, the futuristic-looking building shimmering silver in the sun catches our eye. The Guggenheim Museum of Contemporary Art is so impressive from the outside that the visit was worthwhile even before we enter.
Through a spacious and openly designed entrance area, we enter a huge hall. Giant steel plate constructions tower up everywhere. The steel sheets, about 10 centimeters thick, at least 4 meters high and many meters long, are both impressive and intimidating. Wavelike arrangements can be traversed, spiral shapes followed all the way inside. There is often a feeling of confinement, the echoing acoustics giving the environment a somewhat haunting atmosphere. All the while, I wonder how these metal sheets weighing tons could have been bent, positioned and welded so precisely.
In the following two and a half hours, we experience light and space installations, surrealistic and minimalist objects and thus impressive art that is not easy to understand and thus raises some questions. It’s good to have an art teacher with you…
Finally, we take a look at the temporary exhibition on the history and future of the automobile. While I languish open-mouthed in front of James Bond’s original Aston Martin, Manu stands head-shaking and shocked in front of masterpieces of art history that are part of the permanent exhibition, but which simply get lost among all the cars polished and shining. If Manu hadn’t paused in awe before Brankusi’s „Bird,“ I would have simply walked past.
After the museum, we stroll around the bustling city for a while, enjoy a delicious dinner at a restaurant, and finally walk back to the bullring. There we spend a noisy night in our parking lot in the middle of Bilbao, where apparently people don’t sleep much. But even such nights are part of our long journey. And this night is much more relaxing than our first night in Spain…

3. Consequences of a Wildfire
Charred tree skeletons everywhere we look. Black soil. Burnt bushes. Broken power lines. For several kilometers now, we have been driving through a landscape reminiscent of end-time movies. And there is no end of destruction in sight!
Rather by chance we came across this oldest Portuguese national park only one day before entering Portugal and were immediately excited. But upon further research, we came across worrying news. Because right here, just six weeks ago, one of the worst forest fires in recent Portuguese history raged. Does it make sense to go there at all? Is it even possible to hike there at the moment? For the time being, we can’t find anything on the Internet. And do we really want to experience such a catastrophe „live and in color“? Yes, because it will show us once again what the consequences of climate change really look like. We decide to hit the road….
Now we have been driving for more than 30 minutes in the national park on the mountain road to Manteigas, tourist center and starting point of many hiking trails. In the midst of this huge burned forest, we really realize the extent of the destruction here.
Shortly before reaching the mountain village, the color around us changes from black to lush green. As if drawn with a ruler, the destruction ends. Manteigas was lucky and was mostly spared from the fire.
At the visitor center we learn that 25,000 hectares of forest have fallen victim to the flames this summer. As a result, many of the hiking trails are currently inaccessible and closed. However, one loop hike is open.

90% of the trail is still green!“

explains the employee of the visitor center and equips us with a map and further information. However, the sadness and pain is clear to feel and read from his expression as he talks about the fire.

We park in a parking lot near the starting point of the hike, shoulder our backpacks with provisions and start walking. Arriving at the edge of town, a cobblestone path runs steeply uphill at first and we enter mixed forest. The further we get, the higher the percentage of tall pine trees. We are completely surrounded by the lush green of the forest and walk along a mountain flank. The trail climbs higher and higher, eventually there are over 500 meters of elevation to climb in the course of the hike. After about an hour we leave the „healthy“ forest and enter the wasteland that remains after such a fire disaster. We are breathless as we pass the charred remains of giant trees that were once bursting with strength. It almost hurts physically when we experience in this way how fragile our nature is…
The scenery becomes even more bizarre when we reach the highest point of the hike. Here a small asphalt road runs along the ridge. It is easy to see that this road was used by the fire department to fight the fire. On the right side of the road only black wasteland. On the left, however, untouched green mountain forests. Really unreal.
After a steep descent into the neighboring valley, we reach a waterfall where we rest briefly. We stretch our feet into the cold water while the afternoon sun warms our faces. Then we walk along the slope back to Manteigas.
Heavy fare. Hard stuff. That was it, this hike. Nevertheless, we are glad to have visited the Serra de Estrela. This part of the trip showed us only too clearly how unique our planet is, how quickly catastrophes can destroy entire regions and habitats, and how worth protecting our unique nature is.

4. The ninth breakdown with unexpected consequences
Does it never end? At the latest since our two breakdowns in France only five days apart, we are of the opinion that there is actually no part of our motorhome that was not broken and we have not already replaced during this trip. But since Spain we hear a piercing squeak when we get going in the morning. Well, it won’t be that bad, because after a short drive nothing can be heard anymore. However, it gets worse when crossing Spain. So we will have to ask someone who has a clue about engines.
In Portugal we find out that it is not „just“ the V-belt that needs to be retightened. No, it seems to come from the timing belt. And since this directly affects the engine function, we visit another workshop in the Algarve.
We arrive on Thursday afternoon. A mechanic takes off the fairing and finds that the drive wheel of the timing belt is broken at the flange. Also, the timing belt needs to be replaced because it is badly damaged by oil from the engine compartment. We seem to have been lucky, because we are on the verge of engine damage. So there it is: our breakdown number 9.
Most parts are quickly ordered, but the drive wheel is no longer manufactured. They have to look for that, says the workshop. They need time for that. It quickly becomes clear that the repair will most likely not be finished tomorrow, Friday. Therefore, we will have to wait at least until Monday.
So, relatively calmly (we are, after all, practiced in this situation by now), we ask ourselves the question:
Hiking or biking?
The family council decides to go on a bike tour of several days in the Algarve. After all, the Eurovelo No. 1 runs through here, so there should be a corresponding bicycle infrastructure.
The rest of Thursday we prepare everything: Bikes down from the camper, bike bags with provisions, cooking utensils, tent, sleeping bags and sleeping mats pack. Once again we are glad that the storage space of our KAZYmir allows us this flexibility.
After a last night in the camper in the yard of the workshop, we leave on Friday morning. From Alcantarilha we first reach the sea at Armaçao de Pera, where we meet the Eurovelo cycle path. After a very short section along the coast, the route turns inland and runs on gravel roads across fields. We take our first rest in the shade of an almond tree. Around us everything is dry as dust. How anything should grow on these fields is beyond us. We crack some fresh almonds, drink some water. Then we continue.
Unfortunately, Eurovelo infrastructure in Portugal is not comparable to our first tour on one of the European bike paths. That was 15 months ago and led through the south of Denmark (link). Here in the Algarve there are rarely markings to be seen, the climbs to be completed are not to be underestimated and unfortunately the route is very often on country roads with some traffic.
When we have just climbed a hill in Portimao in the late afternoon sweating and take a short drink break, another bike traveler stops next to us: Jasper comes from the Netherlands, is already on the road since March with the bike and tells us that he will stay in Luz with a Belgian family through the platform „Warm showers“ for a few days. He offers us to ask there once whether we can join the following day. We accept gratefully.
Our first night we spend on a camping site in Alvor and are pleased about the opportunity to jump after the nevertheless strenuous bicycle day still briefly into the pool to be able, before we fall tiredly into the tent bed…
Also the next day is sunny, hot, and our route remains unfortunately just as hilly as the day before. Scenic highlight of this day are definitely the cliffs at the lighthouse of Lagos and the clear blue sea, which powerfully crashes against the red rock formations. In the afternoon we tackle the remaining stretch to Luz, because in the meantime Jasper has told us that we are very welcome at the Belgian family.

And so we meet Femke and family, who moved to Portugal 6 years ago. Meanwhile, they rent out several apartments on their property via AirBnB and since a short time, a heart-shaped area in the middle of the garden is available to bike travelers for free to stay overnight. Including the use of a cozy outdoor kitchen, a warm shower and a composting toilet. There are also pigs, chickens, sheep, rabbits and guinea pigs. Tara is fully in her element. It quickly becomes clear that we want to take a break here on Sunday and ask the workshop on Monday morning about the status of the repair.
The workshop’s answer is sobering. They have not yet been able to find the drive wheel, and without this part the repair cannot be carried out. When Femke hears about this, she mentions a scrap yard that is only 8 kilometers away from her house. So we stay longer with Femke and I take a half-day trip to the hinterland of Luz to look for the drive wheel for the timing belt of a 30-year-old Iveco truck at a scrap yard.
It’s hard to believe, but there is actually a defective engine there that contains exactly my desired drive wheel. The removal is done quickly. The price negotiation takes longer. I know that the new price is about 50 euros. The junkyard operator knows about my situation and wants: 50 Euros. For a drive wheel that is admittedly in good condition, but which is already more than 20 years old. I have no choice.
So on Tuesday I get on the bus and drive from Luz to Alcantariha to hand over the eagerly awaited spare part to the workshop in the afternoon. And lo and behold: It fits.
It takes three more days of work until we get the news on Friday afternoon that our motorhome is roadworthy again and we can finally pick it up on Monday morning. Since during this time a rain area passes over the south of Portugal, we stay with Femke and her family during this whole time. We enjoy getting to know this warm and hospitable family, helping in their garden and cooking extensively (Italian) with other bike travelers (Giovanni and Francesco from Italy).
Once again a breakdown helped us to make new and valuable encounters. It has given us the time to get to know these people. It has given us the chance to have moving conversations. And in this case, it even led us to the missing spare part.

Jeder Ort, den wir bereisen, hinterlässt ein bestimmtes Gefühl. „4malHorizont – Biking Denmark“ vermittelt Impressionen unserer 16-tägigen Radtour mit Zelt durch den Süden Dänemarks.

Wir wünschen Dir viel Spaß beim Ansehen!

Every place we travel to leaves a certain feeling. „4malHorizont – Biking Denmark“ provides impressions of our 16-day cycling tour through the south of Denmark.
Enjoy!

Einfach loslegen. Mal schauen, wie weit und wohin wir kommen. Ohne Zeitdruck, ohne Vorgaben und ohne konkretes Ziel. Mit unseren Fahrrädern, viel zu schwerem Gepäck und einer gehörigen Portion Abenteuerlust für 16 Tage den Süden Dänemarks erkunden. Dies ist der Reisebericht unserer ersten größeren Radreise als Familie.

Die Vorbereitung:
Die Entscheidung ist schnell gefallen, nachdem wir in Berlin erfahren, dass unser Wohnmobil nun doch noch länger ausfällt: Wir machen eine größere Fahrradtour. Aber wo? Sicher ist von Beginn an, dass wir Campingausrüstung und Zelt mitnehmen wollen, dass es für diese erste Tour hinsichtlich der Höhenmeter nicht gerade eine Alpenüberquerung sein soll und dass wir unbedingt ans Meer wollen. Schnell stoßen wir auf den Ostseeküstenradweg in Dänemark: Flaches Land (meistens!), sehr gute Camping- bzw. Draußen-Übernachten-Infrastruktur und von Berlin aus schnell zu erreichen. Und natürlich ein Radweg, der fast ausschließlich am Meer entlangführt. Worauf warten wir also noch?

Für die Vorbereitung nehmen wir uns 4 Tage Zeit und ich fühle mich, als ob wir zu einer Expedition aufbrechen würden. Die größte Herausforderung: Wie transportieren wir Klamotten, Zelt, Isomatten, Schlafsäcke, Kochutensilien, Verpflegung, Hygieneartikel und Technikequipment? Und das Ganze für 4 Personen… Unsere bislang äußerst spartanische Fahrradausrüstung, bestehend aus 4 alten Radtaschen, reicht dafür bei Weitem nicht aus. Wir beschaffen uns also noch diverse zusätzliche Radtaschen und einen Gepäckanhänger. Bis dies alles besorgt und an den Rädern montiert ist, bleibt schon keine Zeit mehr für Probetouren mit Gepäck. Also einfach loslegen.
(Einen separaten Bericht zu unserer Ausrüstung stellen wir Euch noch zur Verfügung)

Die Anreise:
Wir starten von unserer aktuellen Basis Woltersdorf bei Berlin in strömendem Regen zur Jungfernfahrt mit vollem Gepäck zum nächsten Bahnhof. Mit der Bahn geht´s zunächst nach Berlin und dann weiter zum Hauptbahnhof Rostock und wir stellen fest, dass der Transport von voll beladenen Tourenrädern in einem IC der Deutschen Bahn eine Herausforderung darstellt. Noch interessanter wird´s mit Anhänger, der darf nämlich gar nicht als solches transportiert werden. Also alles raus, den Anhänger zusammenklappen und als Gepäck verstauen… es könnte ja auch einfach sein.
In Rostock gilt es dann bei strahlendem Sonnenschein als erste größere Strecke zum Fährhafen zu radeln, wo wir dann die Fähre nach Gedser / Dänemark besteigen und nach 2 Stunden Fahrt in Dänemark ankommen.

Die Ankunft:
„Endlich in Norwegen!“ Mein lautstarker Ausruf beim Verlassen des Fährhafens in Gedser führt zu einigem Gelächter bei Manu und den Kindern und zur Antwort eines Passanten: „Ihr habt wohl die falsche Fähre erwischt…“
Dänemark begrüßt uns mit herrlichem Wetter und das Licht taucht an diesem Abend die Kornfelder in ein magisch goldenes Licht. Es ist windstill, angenehm warm und ich fühle mich irgendwie erleichtert und energiegeladen als wir  an diesem Abend in unser Rad-Abenteuer starten.
Die Menschen sind sehr entspannt und hilfsbereit, alles wirkt ordentlich und sehr gepflegt, viele Grasflächen, Häuser mit Reetdächern – das muss es sein, das Auenland von Europa. 

Unser Tagesablauf:
Bei überwiegend optimalem Radfahr-Wetter (Sonne und Wolken im Wechsel, 20-24 Grad) verbringen wir eine tolle Zeit auf unserer Tour. Meist wachen wir zwischen 7:00 und 08:00 Uhr morgens auf, je nachdem wie schnell die Sonne unser Zelt erhitzt. Nach einem ausgiebigen Frühstück startet der Abbau und das Verstauen unseres Gepäcks. Jedes Mal fühlt es sich so an, als hätten wir am Vortag sämtliche Taschen zur Gänze ausgeräumt und überall verstreut. Aber sowohl Ab- als auch Aufbau erledigen wir mit jedem Mal schneller und ich werde immer stolzer, unsere Familie so im Einklang und als Einheit zu erleben. Zwischen 10:00 und 11:00 Uhr beginnt dann der Tag auf dem Fahrrad – wie schon erwähnt, ohne Zeitdruck und ohne Vorgaben. Beim Losradeln haben wir an keinem Tag ein schon festgelegtes Ziel für die kommende Nacht. Und durch die hervorragende Infrastruktur und die diversen Camping- und Outdoor-Übernachtungsmöglichkeiten in Dänemark (siehe Infobox) wird diese Lockerheit noch verstärkt, vielleicht auch erst möglich gemacht.
Nach diversen Pausen – oft auch mit einem Bad in der Ostsee  verbunden – und einer durchschnittlichen Fahrstrecke von 30-35 km pro Tag lassen wir es meist gegen 16:00 Uhr auch gut sein und schlagen unser Nachtlager auf einem der vielen Shelter- oder Campingplätze auf. Jetzt haben wir Zeit. Zeit für gemeinsames Baden gehen, spielen, rumalbern, kochen und auch zum Kennenlernen vieler netter Menschen. Oft klingt der Tag an einem Lagerfeuer gemütlich aus.

Highlights und Herausforderungen:
Das wirkliche Highlight dieser Radtour ist es, Zeit zu haben. Nie zuvor waren wir als Familie unterwegs ohne Tagesziel, ohne Planung, ohne vorher festgelegte Route und ohne Enddatum. Alleine dieser Umstand gibt der Tour etwas Unbeschreibliches. Er nimmt Druck raus, macht uns gelassen und lässt uns entspannt sein. Mir fällt schnell auf, wie viel wir miteinander lachen, wie wir aufeinander eingehen, wie wenig wir streiten… 

Und auch die Umgebung trägt zu unserer Ausgelassenheit bei. Wir radeln auf oft asphaltierten Radwegen durch abwechslungsreiche Landschaften auf der Insel Falster, durch Felder, vorbei an malerischen Ortschaften und durch Waldstücke, das Meer immer im Blick. Über die kleine Insel Bogø geht’s dann auf die Insel Møn, wo die größten Highlights der Tour auf uns warten. Denn ganz im Osten der Insel wird’s plötzlich hügelig und der unablässige Gegenwind dieses Tages macht die Sache nicht gerade einfacher. Doch dann stehen wir oben auf den atemberaubenden Kreidefelsen, mehr als 700 Treppenstufen über dem Meeresspiegel (die es runter- und wieder raufgeht!). 


Schon am Vorabend durften wir das absolute Highlight für unsere beiden Kinder miterleben: 

Papa, Mama, das hier ist das Paradies. Hier bleiben wir. Wir fahren keinen Meter mehr weiter!

Gemeint ist damit der mit Pool, Tennisplatz, Minigolf und Airtrack ausgestattete Campingplatz nahe der Kreidefelsen „Møns Clint“. Damit ist der Plan, etwas günstiger auf einem Shelter-Platz nahe der Klippen unterzukommen komplett im Eimer und wir verbringen zwei Nächte kurzerhand im Paradies. 
Einige Tage später dann das Paradies für die Eltern: Das Zelt steht direkt auf der Düne und wir schauen durch das Moskitonetz unseres Zeltes beim Aufwachen direkt aufs Wasser. Es gibt einen schönen Strand und wir sind im karibischen Teil von Dänemark angekommen. Harbølle Strand Camping. Wir vergessen für einige Tage das Fahrradfahren und genießen das Strandleben bei sommerlichen 26 Grad und Sonne satt. Genau das Richtige für uns nach einer kräftezehrenden Vorbereitungszeit, nach all den Rückschlägen und Verzögerungen und einigen ungewohnten Tagen auf unseren Drahteseln. Jetzt sind wir mittendrin in unserer großen Reise.

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Info-Box

Übernachtungs-/Campingmöglichkeiten beim Radwandern in Dänemark

Anders als im benachbarten Schweden ist das Wildcampen in Dänemark grundsätzlich verboten. Allerdings stehen neben den traditionellen Campingplätzen auch speziell dafür ausgelegte Naturlagerplätze zur Verfügung, auf denen das Zelten gestattet ist. Das sind rund 1.500 einfache Zeltplätze auf privaten Grundstücken wie Bauernhöfen, auf kommunalem Grund und auf Flächen des Umwelt- und Naturschutzministeriums. Sie sind oft mit so genannten Sheltern ausgestattet, es kann aber auch eine große Wiese für Zelte sein, oder beides. Teilweise sind diese einfachen, niedrigen Holzhütten im Vorfeld reservierbar. Die Anzahl der Nächte, die auf dem Platz erlaubt sind, kann je nach Andrang oder Jahreszeit variieren. Das ist aber bei der Buchung erkennbar. Eine App namens „Shelter“ ist kostenlos verfügbar und gibt einen Überblick über Sheltermöglichkeiten in allen Teilen Dänemarks.


Und dann kommt sie doch noch. Unsere Nacht in einem der so zahlreichen Shelter, dieser niedrigen blockhüttenähnlichen Unterstände, die als Nachtlager genutzt werden. Wir sind auf dem Weg zurück Richtung Fähre und finden ein abgelegenes kleines Plätzchen mitten in Kornfeldern. Wir entschließen uns, endlich eine Nacht noch mehr draußen als im Zelt zu verbringen. Es kostet Überwindung, nachdem wir schon einige Spinnen-Erfahrungen in diesen Shelter gemacht haben und dann kurz vorm Einschlafen auch direkt über Bastian´s Kopf auch noch eine stattliche Hausspinne auftaucht. Aber die Überwindung lohnt sich, so wie es meistens ist, wenn man seine Komfortzone verlässt…

Fazit:
Diese Radreise ist für uns genau der richtige Einstieg in unsere gemeinsame Reisezeit, und es ist ein absolutes Privileg, ohne Zeitdruck, ohne Rückfahrticket und ohne Route unterwegs zu sein. Dieses Abenteuer schweißt uns als Familie zusammen, ich staune über die Leistung meiner beiden Kinder, denn letztendlich werden es über 330km, die wir in den 16 Tagen zurücklegen… 

Ich persönlich spüre, wie das Draußen sein mich mit Energie auflädt. Ich merke, wie wertvoll ein solches Erlebnis ist und ich bin etwas deprimiert, als wir die Zugtickets von Rostock zurück nach Berlin buchen. Gleichzeitig setzen in meinem Kopf schon die ersten Ideen zur Optimierung unseres Radreisegepäcks ein und ich kann unsere nächste Tour kaum erwarten…

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Info-Box

Navigation / Streckenführung

Basis für unsere Tour war der Ostseeküstenradweg N8 (Østersøruten), der sich wie eine 8 über 820km über die süddänische Inselwelt legt. Da wir nur auf den drei Inseln Falster, Bogø und Møn unterwegs waren, haben wir zum Teil alternative Routen gewählt, welche z.B. im Nordwesten von Falster direkt an der Küste entlang führten und damit unsere Rückfahrt zur Fähre bildeten. Dabei ist eine Übersicht des Radwegnetzes inkl. der Bezeichnungen der jeweiligen Radwege sehr hilfreich. Für viele Navigationsaufgaben mit Rad oder beim Wandern nutze ich die App „Komoot“, allerdings fehlt hier die OpenCycleMap Ansicht, bei der alle Radwege mit Bezeichnungen aufgeführt sind. Hierfür bekamen wir unterwegs von anderen Radreisenden den Tipp, die ebenfalls kostenlos App „View Ranger“ zu nutzen. In dieser App ist die OpenCycleMap enthalten und auch hier lassen sich Routen manuell planen, speichern und aufzeichnen.