Einfach loslegen. Mal schauen, wie weit und wohin wir kommen. Ohne Zeitdruck, ohne Vorgaben und ohne konkretes Ziel. Mit unseren Fahrrädern, viel zu schwerem Gepäck und einer gehörigen Portion Abenteuerlust für 16 Tage den Süden Dänemarks erkunden. Dies ist der Reisebericht unserer ersten größeren Radreise als Familie.
Die Vorbereitung:
Die Entscheidung ist schnell gefallen, nachdem wir in Berlin erfahren, dass unser Wohnmobil nun doch noch länger ausfällt: Wir machen eine größere Fahrradtour. Aber wo? Sicher ist von Beginn an, dass wir Campingausrüstung und Zelt mitnehmen wollen, dass es für diese erste Tour hinsichtlich der Höhenmeter nicht gerade eine Alpenüberquerung sein soll und dass wir unbedingt ans Meer wollen. Schnell stoßen wir auf den Ostseeküstenradweg in Dänemark: Flaches Land (meistens!), sehr gute Camping- bzw. Draußen-Übernachten-Infrastruktur und von Berlin aus schnell zu erreichen. Und natürlich ein Radweg, der fast ausschließlich am Meer entlangführt. Worauf warten wir also noch?
Für die Vorbereitung nehmen wir uns 4 Tage Zeit und ich fühle mich, als ob wir zu einer Expedition aufbrechen würden. Die größte Herausforderung: Wie transportieren wir Klamotten, Zelt, Isomatten, Schlafsäcke, Kochutensilien, Verpflegung, Hygieneartikel und Technikequipment? Und das Ganze für 4 Personen… Unsere bislang äußerst spartanische Fahrradausrüstung, bestehend aus 4 alten Radtaschen, reicht dafür bei Weitem nicht aus. Wir beschaffen uns also noch diverse zusätzliche Radtaschen und einen Gepäckanhänger. Bis dies alles besorgt und an den Rädern montiert ist, bleibt schon keine Zeit mehr für Probetouren mit Gepäck. Also einfach loslegen.
(Einen separaten Bericht zu unserer Ausrüstung stellen wir Euch noch zur Verfügung)
Die Anreise:
Wir starten von unserer aktuellen Basis Woltersdorf bei Berlin in strömendem Regen zur Jungfernfahrt mit vollem Gepäck zum nächsten Bahnhof. Mit der Bahn geht´s zunächst nach Berlin und dann weiter zum Hauptbahnhof Rostock und wir stellen fest, dass der Transport von voll beladenen Tourenrädern in einem IC der Deutschen Bahn eine Herausforderung darstellt. Noch interessanter wird´s mit Anhänger, der darf nämlich gar nicht als solches transportiert werden. Also alles raus, den Anhänger zusammenklappen und als Gepäck verstauen… es könnte ja auch einfach sein.
In Rostock gilt es dann bei strahlendem Sonnenschein als erste größere Strecke zum Fährhafen zu radeln, wo wir dann die Fähre nach Gedser / Dänemark besteigen und nach 2 Stunden Fahrt in Dänemark ankommen.
Die Ankunft:
„Endlich in Norwegen!“ Mein lautstarker Ausruf beim Verlassen des Fährhafens in Gedser führt zu einigem Gelächter bei Manu und den Kindern und zur Antwort eines Passanten: „Ihr habt wohl die falsche Fähre erwischt…“
Dänemark begrüßt uns mit herrlichem Wetter und das Licht taucht an diesem Abend die Kornfelder in ein magisch goldenes Licht. Es ist windstill, angenehm warm und ich fühle mich irgendwie erleichtert und energiegeladen als wir an diesem Abend in unser Rad-Abenteuer starten.
Die Menschen sind sehr entspannt und hilfsbereit, alles wirkt ordentlich und sehr gepflegt, viele Grasflächen, Häuser mit Reetdächern – das muss es sein, das Auenland von Europa.
Unser Tagesablauf:
Bei überwiegend optimalem Radfahr-Wetter (Sonne und Wolken im Wechsel, 20-24 Grad) verbringen wir eine tolle Zeit auf unserer Tour. Meist wachen wir zwischen 7:00 und 08:00 Uhr morgens auf, je nachdem wie schnell die Sonne unser Zelt erhitzt. Nach einem ausgiebigen Frühstück startet der Abbau und das Verstauen unseres Gepäcks. Jedes Mal fühlt es sich so an, als hätten wir am Vortag sämtliche Taschen zur Gänze ausgeräumt und überall verstreut. Aber sowohl Ab- als auch Aufbau erledigen wir mit jedem Mal schneller und ich werde immer stolzer, unsere Familie so im Einklang und als Einheit zu erleben. Zwischen 10:00 und 11:00 Uhr beginnt dann der Tag auf dem Fahrrad – wie schon erwähnt, ohne Zeitdruck und ohne Vorgaben. Beim Losradeln haben wir an keinem Tag ein schon festgelegtes Ziel für die kommende Nacht. Und durch die hervorragende Infrastruktur und die diversen Camping- und Outdoor-Übernachtungsmöglichkeiten in Dänemark (siehe Infobox) wird diese Lockerheit noch verstärkt, vielleicht auch erst möglich gemacht.
Nach diversen Pausen – oft auch mit einem Bad in der Ostsee verbunden – und einer durchschnittlichen Fahrstrecke von 30-35 km pro Tag lassen wir es meist gegen 16:00 Uhr auch gut sein und schlagen unser Nachtlager auf einem der vielen Shelter- oder Campingplätze auf. Jetzt haben wir Zeit. Zeit für gemeinsames Baden gehen, spielen, rumalbern, kochen und auch zum Kennenlernen vieler netter Menschen. Oft klingt der Tag an einem Lagerfeuer gemütlich aus.
Highlights und Herausforderungen:
Das wirkliche Highlight dieser Radtour ist es, Zeit zu haben. Nie zuvor waren wir als Familie unterwegs ohne Tagesziel, ohne Planung, ohne vorher festgelegte Route und ohne Enddatum. Alleine dieser Umstand gibt der Tour etwas Unbeschreibliches. Er nimmt Druck raus, macht uns gelassen und lässt uns entspannt sein. Mir fällt schnell auf, wie viel wir miteinander lachen, wie wir aufeinander eingehen, wie wenig wir streiten…
Und auch die Umgebung trägt zu unserer Ausgelassenheit bei. Wir radeln auf oft asphaltierten Radwegen durch abwechslungsreiche Landschaften auf der Insel Falster, durch Felder, vorbei an malerischen Ortschaften und durch Waldstücke, das Meer immer im Blick. Über die kleine Insel Bogø geht’s dann auf die Insel Møn, wo die größten Highlights der Tour auf uns warten. Denn ganz im Osten der Insel wird’s plötzlich hügelig und der unablässige Gegenwind dieses Tages macht die Sache nicht gerade einfacher. Doch dann stehen wir oben auf den atemberaubenden Kreidefelsen, mehr als 700 Treppenstufen über dem Meeresspiegel (die es runter- und wieder raufgeht!).
Schon am Vorabend durften wir das absolute Highlight für unsere beiden Kinder miterleben:
Papa, Mama, das hier ist das Paradies. Hier bleiben wir. Wir fahren keinen Meter mehr weiter!
Gemeint ist damit der mit Pool, Tennisplatz, Minigolf und Airtrack ausgestattete Campingplatz nahe der Kreidefelsen „Møns Clint“. Damit ist der Plan, etwas günstiger auf einem Shelter-Platz nahe der Klippen unterzukommen komplett im Eimer und wir verbringen zwei Nächte kurzerhand im Paradies.
Einige Tage später dann das Paradies für die Eltern: Das Zelt steht direkt auf der Düne und wir schauen durch das Moskitonetz unseres Zeltes beim Aufwachen direkt aufs Wasser. Es gibt einen schönen Strand und wir sind im karibischen Teil von Dänemark angekommen. Harbølle Strand Camping. Wir vergessen für einige Tage das Fahrradfahren und genießen das Strandleben bei sommerlichen 26 Grad und Sonne satt. Genau das Richtige für uns nach einer kräftezehrenden Vorbereitungszeit, nach all den Rückschlägen und Verzögerungen und einigen ungewohnten Tagen auf unseren Drahteseln. Jetzt sind wir mittendrin in unserer großen Reise.
Und dann kommt sie doch noch. Unsere Nacht in einem der so zahlreichen Shelter, dieser niedrigen blockhüttenähnlichen Unterstände, die als Nachtlager genutzt werden. Wir sind auf dem Weg zurück Richtung Fähre und finden ein abgelegenes kleines Plätzchen mitten in Kornfeldern. Wir entschließen uns, endlich eine Nacht noch mehr draußen als im Zelt zu verbringen. Es kostet Überwindung, nachdem wir schon einige Spinnen-Erfahrungen in diesen Shelter gemacht haben und dann kurz vorm Einschlafen auch direkt über Bastian´s Kopf auch noch eine stattliche Hausspinne auftaucht. Aber die Überwindung lohnt sich, so wie es meistens ist, wenn man seine Komfortzone verlässt…
Fazit:
Diese Radreise ist für uns genau der richtige Einstieg in unsere gemeinsame Reisezeit, und es ist ein absolutes Privileg, ohne Zeitdruck, ohne Rückfahrticket und ohne Route unterwegs zu sein. Dieses Abenteuer schweißt uns als Familie zusammen, ich staune über die Leistung meiner beiden Kinder, denn letztendlich werden es über 330km, die wir in den 16 Tagen zurücklegen…
Ich persönlich spüre, wie das Draußen sein mich mit Energie auflädt. Ich merke, wie wertvoll ein solches Erlebnis ist und ich bin etwas deprimiert, als wir die Zugtickets von Rostock zurück nach Berlin buchen. Gleichzeitig setzen in meinem Kopf schon die ersten Ideen zur Optimierung unseres Radreisegepäcks ein und ich kann unsere nächste Tour kaum erwarten…